Pilze sind seit Millionen Jahren Teil des Lebens auf der Erde. Sie bilden ein eigenes, faszinierendes Reich mit mehr als 100 000 bekannten Arten. Ohne sie gäbe es keine Wälder, keine fruchtbaren Böden und keine biologische Vielfalt. Pilze gehören zu den wichtigsten Organismen unseres Planeten. Sie zersetzen organisches Material, ermöglichen Pflanzenwachstum und sind Grundlage vieler Lebensmittel.
Inhaltsverzeichnis:
- Robert Whittaker und die Entdeckung der Fungi
- Champignons, Hefen und das Myzel im Erdreich
- Pilze als Nährstofflieferanten und Resteverwerter
- Parasitäre Pilze und ihre Gefahren
- Pilze in Medizin und Ernährung
- Evolutionäre Nähe zu Mensch und Tier
Robert Whittaker und die Entdeckung der Fungi
Lange Zeit wurden Pilze den Pflanzen zugeordnet. Erst der amerikanische Biologe Robert Whittaker erkannte im Jahr 1969, dass sie eine eigenständige Gruppe bilden. Er führte das Reich der Fungi als fünftes großes Reich des Lebens ein. Pilze unterscheiden sich von Pflanzen durch den Aufbau ihrer Zellwände, die aus Chitin bestehen. Dieser Stoff kommt auch in den Panzern von Insekten und Krebsen vor.
Pilze besitzen weder Wurzeln noch Blätter oder Samen. Sie betreiben keine Fotosynthese und enthalten kein Chlorophyll. Stattdessen ernähren sie sich heterotroph – ähnlich wie Tiere – von organischen Substanzen. Damit bilden sie eine einzigartige Verbindung zwischen Pflanzen- und Tierwelt.
Champignons, Hefen und das Myzel im Erdreich
Champignons und Hefepilze sind bekannte Vertreter dieser Lebensform. Während Hefen einzellig sind, bestehen andere Arten wie Steinpilze oder Pfifferlinge aus Millionen Zellen. Diese bilden feine Fäden, sogenannte Hyphen. Das unterirdische Netz aus Hyphen heißt Myzel und kann gigantische Ausmaße erreichen.
Ein Stück Waldboden von nur vier Quadratzentimetern kann bis zu zwei Kilometer Hyphen enthalten. Das größte bekannte Myzel befindet sich im US-Bundesstaat Oregon. Es gehört zu einem Dunklen Hallimasch, ist über 2000 Jahre alt und bedeckt rund neun Quadratkilometer Waldfläche. Forscher schätzen sein Gewicht auf etwa 600 Tonnen.
Pilze als Nährstofflieferanten und Resteverwerter
Pilze spielen eine zentrale Rolle im ökologischen Kreislauf. Sie zersetzen abgestorbene Pflanzen, Laub, Holz und Exkremente. Dadurch verwandeln sie Abfall in Humus – die Grundlage jedes Pflanzenwachstums. Ohne Pilze würden Wälder an totem Material ersticken.
Man unterscheidet drei Hauptgruppen:
- Saprobionten – zersetzen totes organisches Material.
- Parasiten – befallen lebende Organismen und verursachen Krankheiten.
- Symbionten – leben in Gemeinschaft mit anderen Arten und fördern deren Wachstum.
Rund 90 % aller Landpflanzen gehen eine symbiotische Beziehung mit Pilzen ein. Diese Verbindung nennt man Mykorrhiza. Die Pilzfäden umspinnen Wurzeln und helfen, Wasser und Nährstoffe aufzunehmen. Im Gegenzug erhält der Pilz Zucker und Mineralien.
Parasitäre Pilze und ihre Gefahren
Einige Pilze gelten als Schädlinge. Sie greifen lebende Organismen an und verursachen erhebliche Schäden in der Landwirtschaft und Bauwirtschaft. Zu den bekanntesten Krankheiten zählen:
- Kartoffelfäule
- Apfelschorf
- Echter Mehltau
- Obstbaumkrebs
- Birnengitterrost
Mehr als 10 000 Pflanzenkrankheiten werden durch Pilze verursacht. Auch der Echte Hausschwamm richtet große Schäden an, da er verbautes Holz zersetzt und Häuser zerstören kann.
Pilze in Medizin und Ernährung
Seit Jahrhunderten nutzt der Mensch Pilze als Heil- und Genussmittel. In China gelten Shiitake, Glänzender Lackporling und Igel-Stachelbart als traditionelle Arzneipilze. 1928 entdeckte Alexander Fleming das Penicillin – gewonnen aus dem Schimmelpilz Penicillium chrysogenum. Dieses Antibiotikum revolutionierte die Medizin und rettete Millionen Leben.
Auch in der Ernährung spielen Pilze eine zentrale Rolle:
- Pizza Funghi mit Champignons
- Blauschimmelkäse mit Edelschimmelkulturen
- Bier und Wein, vergoren durch Hefepilze
Schon die Sumerer vor rund 6000 Jahren nutzten Hefen, um Bier zu brauen. Gleichzeitig entdeckten sibirische Schamanen die berauschenden Wirkungen des Fliegenpilzes.
Evolutionäre Nähe zu Mensch und Tier
Überraschend ist, dass Pilze mit Menschen enger verwandt sind als mit Pflanzen. Fungi und Homo sapiens teilen gemeinsame Vorfahren, die vor etwa zwei Milliarden Jahren im Meer lebten. Aus diesen frühen Vielzellern entwickelten sich Tiere und Pilze – zwei Lebensformen, die sich durch ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme von Pflanzen unterscheiden.
Heute schätzen Mykologen, dass es weltweit mehr als 1,5 Millionen Pilzarten gibt. Zum Vergleich: Von Säugetieren existieren nur etwa 4000 Arten. Diese Vielfalt zeigt, dass Pilze zu den erfolgreichsten und anpassungsfähigsten Organismen der Erde gehören.
Pilze sind unscheinbar, doch ohne sie wäre das Leben unmöglich. Sie verbinden, zersetzen, nähren und heilen. Ob in der Natur, in der Medizin oder auf dem Teller – Pilze sind stille Architekten des Lebens.
Quelle: STUTTGARTER ZEITUNG